Nationaler „Notfallplan Gas“

Die Lage bei der Gasversorgung ist nach wie vor wegen der Lieferausfälle aus Russland schwierig. Aktuell wurde auch die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung - EnSikuMaV) verlängert, die ursprünglich bis zum 28. Februar 2023 galt. In einer Krisensituation regelt der „Notfallplan Gas“ die Gasversorgung in Deutschland. Wie funktioniert der Maßnahmenkatalog?

Was regelt der „Notfallplan Gas“?

Der „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ regelt die Gasversorgung in einer Krisensituation. Grundlage ist die Verordnung „Security of Supply“ der Europäischen Union (2017/1938), sie definiert Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung. 

Der Notfallplan in Deutschland hat drei Krisenstufen:

  1. Frühwarnstufe
  2. Alarmstufe
  3. Notfallstufe

Die jeweilige Krisenstufe wird durch die Bundesregierung festgestellt. Erst bei der dritten Stufe – der Notfallstufe – greift der Staat aktiv in die Gasversorgung ein. In diesem Fall gibt es eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage. Die Bundesnetzagentur regelt in der Notfallstufe dann in enger Abstimmung mit den Energieversorgern und Netzbetreibern die Verteilung von Gas. 

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum „Notfallplan Gas“ finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Welche Krisenstufe ist aktuell gültig?

Deutschland befindet sich derzeit in der Alarmstufe. Die Bundesregierung hat am 23. Juni 2022 die zweite Stufe des „Notfallplans Gas“ ausgerufen. Grund waren im Frühsommer die reduzierten Gaslieferungen aus Russland über die Pipeline Nord Stream 1 und das hohe Preiseniveau am Gasmarkt.

Das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) stellte im Juni fest, dass eine Störung der Gasversorgung vorliegt, die zu einer erheblich schlechteren Gasversorgungslage führt. Der Markt sei aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage alleine zu bewältigen. Um die Versorgung mit Gas im Winter 2022/2023 zu gewährleisten, hat die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen getroffen. Die Gasspeicher in Deutschland konnten sich so zügig füllen und die Zielmarke – ein Gasfüllstand von mindestens 95 Prozent bis November – wurde erreicht. Dieser Füllstand entspricht etwa dem bundesweiten Verbrauch im Januar und Februar 2022.

Die Frühwarnstufe – die erste Stufe des „Notfallplans Gas“ – hatte das BMWK bereits am 30. März 2022 ausgerufen. Diese Entscheidung diente dazu, erste Vorbereitungen zu treffen, wenn sich die Lage verschlechtern sollte. Seitdem tagt beim Bundeswirtschaftsministerium täglich ein Krisenstab, der aus Behörden und Energieversorgern besteht. In dem Krisenstab müssen Versorger und Netzbetreiber regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einschätzen. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht täglich einen Lagebericht.

Wirkt sich die Gaskrise in Deutschland auf die Versorgung aus?

Die Alarmstufe sendet das klare Signal an alle Verbraucher, dass Gas dringend eingespart werden muss. Sie hat aber derzeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Versorgung in Deutschland – egal ob für private Haushalte, Industrie oder öffentliche Einrichtungen. Die vorgesehene Menge Gas wird den Energieversorgen zufolge weiter ins örtliche Gasnetz eingespeist.

Die Lage kann sich aber jederzeit ändern. Einen aktuellen Stand der Dinge finden Sie auf den Webseiten der Bundesregierung und der EVF. Um die Energieversorgung zu sichern und Energie zu sparen, hat die Bundesregierung Maßnahmen für private Haushalte, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen beschlossen. Jede eingesparte Kilowattstunde hilft die Gasreserven hoch zu halten.

Um die Energieversorgung zu sichern und Energie zu sparen, hat die Bundesregierung Maßnahmen für private Haushalte, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen beschlossen. Jede eingesparte Kilowattstunde hilft die Gasreserven hoch zu halten.

Gibt es einen täglichen Lagebericht zur Gasversorgung?

Die Bundesnetzagentur veröffentlicht eine Einschätzung zur Gasversorgung von Montag bis Freitag im Lagebericht. Außerdem stellt sie die wichtigsten Daten zu Lastflüssen, Speicherfüllständen, Gasverbrauch und Preisentwicklung als interaktive Grafiken zu Verfügung.

Was passiert, wenn das Gas knapp wird?

Wenn die Maßnahmen der Alarmstufe nicht ausreichen oder sich die Gasversorgung dauerhaft verschlechtert, kann die Bundesregierung per Verordnung die Notfallstufe ausrufen. Das Vorgehen ist im „Notfallplan Gas“ gesetzlich geregelt.

Der Staat greift dann in den Gasmarkt ein und die Bundesnetzagentur wird zum „Bundeslastverteiler“. Das bedeutet: Sie regelt in Abstimmung mit den Energieversorgern und Netzbetreibern, wie das noch vorhandene Gas deutschlandweit verteilt wird. Die Aufgabe der Bundesnetzagentur dabei ist es, „den lebenswichtigen Bedarf an Gas sicherzustellen“.

Bestimmte Verbrauchergruppen sind gesetzlich besonders geschützt – sie sind solange wie möglich mit Gas zu versorgen. Dazu gehören Haushalte, öffentliche Verwaltung, Einrichtungen wie Krankenhäuser, Feuerwehr, Polizei und kritische Infrastrukturen wie Gaskraftwerke, die zugleich auch der Wärmeversorgung von Haushalten dienen. Industrie und Unternehmen zählen nicht zu den geschützten Verbrauchergruppen.

Grundsätzlich gibt es aber keine festgelegte Abschalt‐Reihenfolge. Das betont die Bundesnetzagentur im Mai 2022 in ihrem Dokument „Lastverteilung Gas – Handlungsoptionen, Abwägungsentscheidung, situationsbedingtes Handeln“. Die Entscheidungen sind in einer Gasmangellage immer Einzelfall‐Entscheidungen, weil die Umstände von vielen Faktoren abhängen und nicht vorhersehbar sind. Sowohl nicht geschützte als auch geschützte Kunden können lebenswichtigen Bedarf an Gas haben.

Die Bundesnetzagentur strebt in der Notfallstufe an, die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen minimal zu halten. Anhaltspunkte, was zur kritischen Infrastruktur gehört, liefert eine Übersicht des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

Wird die Gasversorgung im Notfall einfach abgestellt?

In der Notfallstufe kann die Bundesnetzagentur als „Bundeslastverteiler“ Abschaltungen anordnen, um insbesondere die Gasversorgung der geschützten Verbrauchergruppen sicherzustellen. Von Abschaltungen wären vor allem nicht geschützte Unternehmen mit einem sehr hohen Gasverbrauch betroffen, sofern diese keine lebenswichtige Dienstleistung liefern. Grundsätzlich gibt es aber keine festgelegte Abschalt‐Reihenfolge.

Die von der Bundesnetzagentur angeordneten Abschaltungen müssen durch den jeweiligen Netzbetreiber ausgeführt werden. In der Regel werden die Unternehmen aufgefordert ihren Verbrauch nach entsprechenden Vorgaben selbst zu reduzieren, weil eine Abschaltung durch den Netzbetreiber technisch oft nicht möglich ist.

Wie wahrscheinlich ist eine Gasmangellage?

Die Energieversorgung in Deutschland ist angespannt, weil Russland seit September 2022 gar kein Erdgas mehr über die Pipeline Nord Stream 1 liefert. Der Rohstoff war daher den Winter 2022/2023 ein knappes Gut sein und wird dies auch voraussichtlich für den kommenden Winter 2023/2024 sein.

Die Bundesregierung hat deshalb in den vergangenen Monaten zahlreiche Maßnahmen zur krisensicheren Energieversorgung umgesetzt. Deutschland soll so schneller von russischen Rohstoffen wie Kohle, Gas und Öl unabhängig werden. Das russische Erdgas wird unter anderem durch Lieferungen aus anderen europäischen Ländern ersetzt. Gleichzeitig will die Bundesregierung die Energiewende massiv beschleunigen. Der Bau von schwimmenden Flüssiggas‐Terminals (LNG) gilt als wichtigste Maßnahme, um die wegfallenden Gasimporte aus Russland auszugleichen. Das erste von fünf LNG‐Terminals ist im Dezember 2022 in Wilhelmshaven in Betrieb gegangen.

Im Winter 2022/2023 ist es nicht zu einer Gasmangellage in Deutschland gekommen, jedoch muss bereits an den nächsten Winter 2023/2024 gedacht werden. Dies hängt davon ab, wie sich die Nachfrage in Deutschland in den einzelnen Sektoren entwickelt. Wenn es zum Beispiel besonders kalt wird und viele private Haushalte heizen müssen, kann im extremen Fall die Gasversorgung in Teilen Deutschlands knapp werden. Um ohne Mangellagen über den Winter zu kommen, muss laut Bundesnetzagentur der Erdgas‐Verbrauch um mindestens zwanzig Prozent sinken.

Die Bundesregierung hat deshalb zahlreiche Energiesparmaßnahmen beschlossen, die kurz‐ und mittelfristig zur Sicherung der Energieversorgung beitragen sollen. Sie beinhalten Maßnahmen für die kommende und die übernächste Heizperiode und sie richten sich an öffentliche Einrichtungen, Unternehmen und private Haushalte. Unter anderem dürfen öffentliche Gebäude nur noch bis maximal 19 Grad beheizt werden. Die Beleuchtung von Gebäuden, Denkmälern und Werbeflächen wird eingeschränkt. Private Schwimm‐ und Badebecken dürfen nicht mehr energieintensiv beheizt werden. Die Regelungen sind seit 1. September und 1. Oktober 2022 in Kraft.

Ist ein großflächiger Stromausfall – „Blackout“ – möglich? Erdgas wird in Gas‐Kraftwerken auch für die Stromproduktion verwendet. Beim Strom droht den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern aber kein unmittelbarer Engpass. Und ein „Blackout“ – ein unkontrollierter, überregionaler und andauernder Stromausfall – gilt als äußerst unwahrscheinlich. Die Stromversorgung ist mehrfach redundant ausgelegt. 

Deutschland verfügt auch in diesem Winter über eine „sehr hohe Versorgungssicherheit“. Das ist das Ergebnis des zweiten Stresstests zum Stromsystem vom September 2022, den die deutschen Übertragungsnetzbetreiber im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums veröffentlicht haben. Der Analyse zufolge war auch eine stundenweise krisenhafte Situation im deutschen Stromsystem im Winter 2022/2023 sehr unwahrscheinlich, konnte aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Denn die Versorgungslage in ganz Europa ist nach wie vor angespannt.

Die Analyse umfasst mehrere Szenarien, die unter bestimmten Umständen zu einer Anhäufung von Risiken führen können. Zu den Annahmen gehören unter anderem: Das Niedrigwasser in den Flüssen behindert weiter Steinkohlelieferungen, ein großer Teil der französischen Atomkraftwerke kehrt nicht bis zum Winter an den Markt zurück, der massenhafte Betrieb von Heizlüftern erhöht die Verbrauchsspitzen im Gigawatt‐Bereich und ein Teil der Gaskraftwerke in Süddeutschland ist für die Stromerzeugung nicht mehr verfügbar.

Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber konnten daher nicht ausschließen, dass es im Winter 2022/2023 in seltenen Fällen zu Stromabschaltungen – sogenannten „Brownouts“ – hätte kommen können. Kann ein Engpass im Stromnetz nicht behoben werden, würde deutschlandweit vereinzelt, kontrolliert und zeitlich begrenzt der Strom ausfallen. Das bedeutet: Bei einem Lastabwurf nehmen die Übertragungsnetzbetreiber kontrolliert Regionen, Stadtbezirke und Großverbraucher reihum – in einem bestimmten rollierenden Rhythmus – vom Stromnetz. Die Nachfrage wird soweit reduziert, dass sie mit der erzeugten Strommenge wieder übereinstimmt. 

Um Lastunterdeckungen oder Stromausfälle zu verhindern, haben die deutschen Übertragungsnetzbetreiber in ihrer Analyse daher eine Reihe von Maßnahmen empfohlen. Die Bundesregierung hat bereits mehrere Maßnahmen zur Stärkung der Netzsicherheit umgesetzt, darunter den befristeten Weiterbetrieb von Kernkraftwerken bis April 2023 und die Aktivierung von Steinkohlekraftwerken.

Im Gegensatz zur Gasversorgung gibt es bei der Stromversorgung keine geschützten Verbrauchergruppen oder eine anderweitige Priorisierung. Der „Brownout“ ist die letzte Maßnahme, um einen „Blackout“ zu verhindern. 

Welche Sektoren in Deutschland verbrauchen Gas?

In der Industrie in Deutschland spielen fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl nach wie vor eine bedeutende Rolle. Laut Statistischem Bundesamt war Erdgas im Jahr 2020 mit einem Anteil von rund 32 Prozent wichtigster Energieträger in der Industrie, gefolgt von Strom (21 Prozent), Mineralölen und Mineralölprodukten (16 Prozent) sowie Kohle (16 Prozent).

Auch für die privaten Haushalte ist Erdgas nach wie vor der mit Abstand wichtigste Energieträger. Hier lag der Anteil im Jahr 2019 bei rund 41 Prozent für Wohnenenergie – also für Heizen, Warmwasserbereitung, Kochen oder den Betrieb von Elektrogeräten.

Für die Stromerzeugung ist Erdgas ebenfalls bedeutsam, allerdings geht dessen Anteil zurück, so das Statistische Bundesamt. Im 1. Quartal 2022 stammte 13 Prozent des in Deutschland erzeugten und in das Stromnetz eingespeisten Stroms aus Erdgas. Im 1. Quartal 2021 hatte der Anteil bei rund 16 Prozent gelegen. 

Weitergehende Informationen

Bundesnetzagentur - Gasversorgung